Warum konnten Baumhäuser im Hambi stählerne Bagger aufhalten? Warum konnten aus Palettenbrettern gezimmerte Plattformen einen Konzern zurück drängen, der Milliarden besitzt?
Die Antwort ist einfach: Weil der Hambi viel mehr war als Baumhäuser.
Ein Baumhaus kann ein einzelner Mensch bauen. Was aber im Hambi passiert ist, ist weit über das hinausgewachsen, was ein einzelner Mensch tun könnte. Es ist über die einzelnen Taten hinaus gewachsen, aus denen es gebaut wurde, ist über alle Planungen, Ideen und Vorstellungen hinausgewachsen. Und das konnte es nur, weil so viele Menschen an so vielen Orten, das getan haben, was ihnen wichtig war. Weil sie aufgestanden sind für ihre Überzeugung.
Aber nicht vereinzelt, sondern gemeinsam und in Solidarität zueinander. Was im Hambi passiert ist war nicht das Werk einzelner Besetzer:innen, sondern viel mehr das Werk Aller, die sich weigern kapitalistische Maschinen zu werden; die sich weigern, sich wie Schaufelradbagger jeden Tag um sich selbst zu drehen, für etwas, dass so bedeutungslos geworden ist, dass niemand es mehr schafft daran zu glauben; die sich weigern, hinzunehmen, dass Dinge die geworden sind, bleiben müssen; die sich weigern zu glauben, dass es zu etwas was so offensichtlich gegen alles steht, was sie menschlich macht, keine Alternative gibt.
Und genau für all diese Menschen und von all diesen Menschen ist auch unser aller Wald. Auf, dass er ein Puzzleteil, eine fliegende Spore, etwas Wurzelwerk sein kann, von etwas, dass wir uns alleine noch nicht vollends vorstellen können, dass aber aus unseren gemeinsamen Ideen, Vorstellungen und Taten wächst.
Unser aller Wald ist so klein, und doch soll er uns daran erinnern, dass wir stark sind. Stark gerade, weil wir so anders sind, als riesige stählerne Bagger.
Unser aller Wald ist so klein, und doch soll er uns daran erinnern, dass wir nicht allein sind. Er soll uns daran erinnern, dass sich zu weigern die Dinge hinzunehmen wie sie sind, nicht bedeutet, dass wir völlig anders oder getrennt sind von den Anderen. Sondern, dass wir uns viel mehr deswegen weigern es hinzunehmen, weil klar ist, dass es, so wie es ist, einfach nicht funktioniert. Menschen erleben und empfinden das überall so und schreien auf ihre Weise dagegen an.
Unser aller Wald soll unsere Sehnsucht befeuern, statt sie zu stillen. Denn auch diese Sehnsucht nach einer besseren Welt ist wertvoll. Sie ist wertvoll, auch wenn sie macht, dass es an manchen Tagen unerträglich ist, zu sehen wie falsch alles ist. Wie offensichtliches Leid jeden Tag geschaffen wird, wie großes, atemberaubend schönes menschliches Potential jeden Tag – jede Minute – jedes Leben verschwendet wird. Und wie sehr alles vom Kopf auf die Füße gestellt werden müsste.
Die Sehnsucht ist wertvoll weil sie darauf hin deutet, dass es so ist, aber dass es nicht so sein muss. Nichts muss so sein. Und kein Baumhausdorf, keine Aktion, kein gewonnener Kampf, wird sie je stillen können, bis wir nicht gesellschaftliche Bedingungen hergestellt haben, in denen kein vermeidbares Leid mehr geschieht. Aber allein und in Ohnmacht gefangen, kann diese Sehnsucht so unaushaltbar sein, dass man sie lieber erstickt.
Unser aller Wald soll uns verbinden, auf dass wir gemeinsam unsere Sehnsucht schüren und entfachen, auf dass wir gemeinsam dafür brennen, wie anders wir leben könnten, anstatt in Ohnmacht gefangen zu sein und die Sehnsucht zu ersticken.
Gegen etwas zu kämpfen bedeutet auch immer für etwas zu leben. Und so werden wir nicht nur hier bleiben, bis wir hinaus getragen werden, bis Keyenberg bleibt oder die Bagger still stehen. Sondern wir sind auch hier, um zu tanzen, um zu singen und in Gemeinschaft zu leben, bis der Bagger kommt. Um euch kennen zu lernen, mit euch zu diskutieren, von einander zu lernen, miteinander zu leben. Um mit euch zu genießen, dass wir am Leben sind.
Denn lebendig sein in einer Welt, in der Geld wertvoller erscheint als Leben, bedeutet, gemeinsam zu kämpfen.
(Eröffnungsrede beim Waldspaziergang am 27.09.2020 von [die] Flo)